Felix Banaszak und Franziska Brantner treten für Grünen-Vorsitz an (2025)

In die Neuformation der Grünen auf Bundesebene kommt Bewegung. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner, und ihr Fraktionskollege Felix Banaszak gaben am Freitag via Instagram ihre Kandidatur für den Parteivorsitz bekannt. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Andreas Audretsch kündigte auf der Plattform X an, er werde die Leitung der Kampagne zur Bundestagswahl übernehmen.

Brantner dankte auf Instagram den scheidenden Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang „für ihre Arbeit unter schweren Bedingungen und ihren selbstlosen Schritt, den Weg für einen Neustart unserer Partei freizumachen“. Dafür zolle sie ihnen „wirklich Respekt“. „Engagement und Zuversicht“ leiteten sie, damit die Grünen „dieses Land und Europa zusammen und nach vorne bringen“, erklärte Brantner weiter. Die Partei könne „der demokratische Ort sein, an dem sich Menschen versammeln, die an unser Land un Europa glauben“. Banaszak erklärte zu seiner Kandidatur auf Instagram: „Manchmal muss man all in gehen. heute ist so ein Moment“. Das Land brauche „eine politische Kraft, die an Solidarität und Gerechtigkeit“ glaube. Audretsch schrieb: „Noch 1 Jahr bis zur Bundestagswahl. Wir starten etwas Neues.“ Es gehe um viel und um Grüne, die die Menschen für Klimaschutz und Gerechtigkeit begeistern wollten, fügte er hinzu. Und: „Zusätzlich zu meiner Arbeit im Bundestag will ich etwas beitragen.“

Nach dem angekündigten Rückzug des gesamten Grünen-Bundesvorstands mit der bisherigen Doppelspitze Lang und Nouripour wurden immer wieder die Namen von Banaszak, Audretsch und Brantner genannt. Die Frau und Reala Brantner schien bereits gesetzt zu sein. Die beiden Männer Banaszak und Audretsch von der Parteilinken hätten um den anderen Posten konkurrieren müssen. Nun tritt Audretsch offenbar nicht an – was nicht heißt, dass es nicht noch weitere Bewerber geben könnte.

Die Grünen haben viele Regeln, die anderen Parteien fremd sind. So dürfen dem sechsköpfigen Bundesvorstand insgesamt maximal zwei Bundestagsabgeordnete angehören. Außerdem muss mindestens eine Frau Vorsitzende sein. Und es gibt noch einen weiteren wichtigen Paragrafen: Darin wird festgehalten, dass Mitglieder des Bundesvorstands nicht Fraktionsvorsitzende sein dürfen, weder in Berlin, Brüssel noch in den Ländern, und auch nicht Mitglieder einer Regierung. Allerdings steht dort auch, dass es eine Übergangsfrist von acht Monaten gibt, dieses Amt niederzulegen, sollte man doch in den Bundesvorstand gewählt werden. Da hat Robert Habeck schon seine Spuren in der Satzung hinterlassen – die Übergangsfrist hatte er sich 2018 ausbedungen, als er noch als Kieler Minister Bundesvorsitzender wurde.

Der Paragraf könnte auch für Brantner wichtig werden, die nicht nur als enge Vertraute Habecks gilt, sondern auch in seinem Wirtschaftsministerium derzeit noch Parlamentarische Staatssekretärin ist. Diese Zeit schien aber ohnehin einem baldigen Ende zuzugehen – Habeck wollte sie als Managerin für seinen Wahlkampf installieren. Dass dieser Plan nicht ohne Spannungen mit der Parteizentrale aufgehen konnte, wird in Berlin als eines von vielen Puzzleteilchen beschrieben, um das ganze Bild rund um den Rückzug der Parteispitze zu verstehen. Nun könnte die als äußerst selbstbewusst und ehrgeizig geltende Brantner den Wahlkampf von Habeck womöglich nicht neben oder gar unter Nouripour und Lang führen – sondern direkt von der Parteispitze aus.

Franziska Brantner ist seit langem die wichtigste Vertrauensperson von Robert Habeck und auch seine wichtigste Staatssekretärin. Mit ihr würde als eine enge Beraterin und Bündnispartnerin des mutmaßlichen Spitzenkandidaten die Bundespartei führen. Die 45 Jahre alte, in Lörrach geborene und in Neuenburg am Rhein aufgewachsene Politikerin hat eine Biographie wie sie sich die realpolitischen Grünen wünschen, die sie geradezu für idealtypisch halten: Studium an der Sciences Po in Paris und der Columbia Universität in New York, Promotion, breite internationale und europäische Erfahrung, zugleich geerdet durch ihre südbadische Heimat. Ihr großer Ehrgeiz und ihr Engagement fielen schon den Mitschülern auf dem deutsch-französischen Gymnasium in Freiburg auf.

Das harte Verhandeln hat sie gelernt

2021 erwog die Tochter einer auch bei den Grünen engagierten Rechtsanwältin schon einmal, sich als Ko-Bundesvorsitzende zu bewerben. Es kam dann anders, Brantner wurde Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschafts- und Klimaministerium in Berlin. 2021 hatte sie den grünen Landesverband als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl geführt. Die Kampfkandidatur gegen die Parteilinke Agnieszka Brugger gewann sie damals und brachte eine klare Mehrheit (63,9 Prozent) der Delegierten hinter sich. Zum ersten Mal gewann sie im Herbst 2021 dann den Bundestagswahlkreis Heidelberg mit 30,2 Prozent direkt.

Im Ministerium beauftragte Habeck seine Staatssekretärin nach der Zeitenwende mit der Neuausrichtung der Handelspolitik, um Deutschland bei der Rohstoffversorgung aus der Abhängigkeit diktatorischer Regime wie China und Russland zu befreien. Jüngst war sie federführend an den Verhandlungen für das Rohstoffabkommen mit Serbien zur Sicherung der Lithium-Lieferungen beteiligt.

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Als Europaparlamentarierin hatte sie von 2009 bis 2013 als Mitglied im Haushaltsausschuss während der Staatsschuldenkrise der EU das harte Verhandeln gelernt. Schon früh gehörte sie zu den Grünen, die die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 als geopolitisch problematisch und ökologisch schädlich kritisierten. 2022 hatte sie einen entscheiden Anteil, die Blockade bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen Ceta aufzulösen, sodass das deutsche Ratifizierungsgesetz unterzeichnet werden konnte. Beim Abkommen mit den Mercosur-Staaten folgte ihr die Partei auf dem Parteitag in Karlsruhe im vergangenen Jahr allerdings nicht.

Seit sich wegen des Ampelstreits die Krise bei den Grünen anbahnte, nahm auch der innerparteiliche Einfluss Brantners zu, die ohnehin zum Kreis der Koordinatoren des Realo-Flügels gehört. Im Bundestagswahlkampf, das hoffen die Grünen, könnte Brantner mit ihrem großen Wissen und ihrer Gabe, große politische Linien zu ziehen, Habeck dort unterstützen, wo er Schwächen hat. Die Schwierigkeiten mit dem „Gebäudeenergiegesetz“ (GEG) sah Brantner früh, sie warnte auch immer wieder. Aber Anfang 2022 war ihre Partei von der Idee so beseelt, dass man ihre Interventionen als „Bedenkenträgerei aus dem spießigen Baden-Württemberg“ einfach nicht ernst nahm.

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Wenn Brantner sich tatsächlich durchsetzen sollte, bleibt noch der Posten für einen Linken in der Bundesspitze. Das steht zwar nicht in der Satzung festgeschrieben, gehört aber abgesehen von der (erfolgreichen) Ausnahme Habeck/Annalena Baerbock zur allgemeinen Erwartung. Ein solcher Linker könnte Felix Banaszak sein, der wie Brantner am Freitag seine Kandidatur bekanntgab. Der 34 Jahre alte Duisburger sitzt zwar erst seit dieser Legislaturperiode im Bundestag, aber gilt schon jetzt als eines der großen Talente der Fraktion. Nicht nur, weil er Ende vergangenen Jahres mit einer der wohl kürzesten Reden spät Abends im Plenum einen AfD-Antrag wirkungsvoll und reimend zurückgewiesen hat: „Wer belastet so spät den Bundestag? / Es ist die Fraktion, die keiner mag. / Sie stellt einen Antrag, dem du nicht entkommst. / Wir lehnen ihn ab – ja, was denn auch sonst?“

Banaszak, der im Haushalts- und Wirtschaftsausschuss sitzt, hat aber auch vor seiner Berliner Zeit schon eine steile Karriere gemacht. Das könnte auch für die Zukunft noch wichtig werden. Denn der Kulturanthropologe stand nicht nur an der Spitze der Grünen Jugend, sondern führte auch vier Jahre lang den NRW-Landesverband recht erfolgreich zusammen mit Mona Neubaur – einer engen Vertrauten Habecks.

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Der 40 Jahre alte Andreas Audretsch hingegen hat seinen Berliner Landesverband noch nicht angeführt, war aber bis zu seiner Wahl in den Bundestag 2021 im Landesvorstand. Er hat Politik studiert und einige Jahre als Radiojournalist gearbeitet. In der Fraktion ist er sogleich zum stellvertretenden Vorsitzenden aufgestiegen, diesen Posten müsste er dann räumen. Genau wie Banaszak ist Audretsch aber ein Vertreter des linken Flügels, der nicht nur rhetorisch stark ist, sondern sich vor allem tief in Themenfelder eingearbeitet hat, auf denen den Grünen bislang wenig Kompetenzwerte zugeschrieben werden: Haushalt und Finanzen.

Wer aber auch immer beim Bundesparteitag Mitte November in Wiesbaden an die Spitze der Partei gewählt werden wird – das Machtzentrum der Grünen dürften auch künftig die einstigen Vorsitzenden bilden: Baerbock und Habeck. Als designierter Kanzlerkandidat wünscht sich Habeck eine ehrliche und offene Debatte auch über seine Ambitionen. Und eine geheime Abstimmung, die seine Position absegnen soll. Wenn es denn gelingt. Politik sei, sagte er Mittwochabend im Fernsehen über den Rückzug der bisherigen Parteispitze, ein „unbarmherziges Geschäft“.

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